Die Sprachentwicklung von Kindern von 0-6 Jahren verstehen und fördern • Fröbel PädagogikBlog (2024)

Ein Beitrag von Ursula Günster-Schöning

„Als die Sprache an ihre Grenzen kam, fehlten ihr die Worte!“

Olles Hansengedicht

Pädagogische Fachkräfte sollen die Kinder im Hier und Jetzt auf eine Zukunft vorbereiten, von der sie selbst nichts wissen. Um erfolgreich in der Zukunft zu bestehen, brauchen Kinder meiner Meinung nach vor allem Konzepte, wie sie zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen, aufrechterhalten und proaktiv, also gewaltfrei, auch bei Konflikten meistern. Die Fähigkeit zur Kommunikation ist dabei die Schlüsselkompetenz.

Die kindliche Neugierde in der Kommunikation nutzen

Wenn ein Kind 5 Jahre alt ist, umfasst sein aktiver Wortschatz rund 2500 bis 3000 Wörter. Wuchs das Kind bilingual auf, ist dieser sogar viel höher, da es in zwei Sprachen Wörter gelernt und abgespeichert hat. Und selbst wenn es nicht alle Wörter (aus beiden Sprachen) benutzt, versteht es diese jedoch ganz eindeutig, da sein passiver Wortschatz, also sein Lexikon im Kopf, um ein Vielfaches größer ist. Hier sind circa 13 000 (bis 20.000) Wörter gespeichert. Dies ist einer der Gründe, warum ein Kind Geschichten inzwischen nicht nur zusammenhängend erzählen, sondern die Erzählungen zudem auch sprachlich ausschmücken kann.

Es nutzt dabei auch abstrakte Wörter und kann Begriffe bestimmten Oberbegriffen zuordnen, wie zum Beispiel: Bananen, Äpfel und Birnen sind Obst, die Hose, Jacke, Strümpfe sind Kleidung, der Schrank, Tisch, das Bett Möbel. Auch seine Fähigkeit, Wörter zu kombinieren, hat sich stetig weiterentwickelt, sodass es jetzt den richtigen Plural von Wörtern bilden kann, obwohl das gar nicht so einfach ist. Denn in der deutschen Sprache gibt es vier verschiedene Endungen, die die Mehrzahl von Wörtern anzeigen: das „e“ wie in Fisch / Fische, das „s“ wie in Auto / Autos, das „er“ wie in Kind/Kinder und das „n“ wie bei Kirsche / Kirschen. Zudem kann ein Wort im Plural identisch sein mit dem Singular wie bei Lehrer, Igel, Fenster – hier ändert sich lediglich der Artikel: das Fenster / die Fenster. Und zu guter Letzt kommt es auch vor, dass bei der Mehrzahlbildung die Vokale a, o, u zu den Umlauten ä, ö, ü werden wie in Blatt / Blätter, Floh / Flöhe, Strumpf / Strümpfe. Das ist alles ganz schön kompliziert, und dennoch meistern die meisten 5 ½-jährigen Kinder dies ganz mühelos, wenn sie sprechen, sich mit der Oma am Telefon unterhalten oder in der Kita vom Wochenende erzählen.

Die Komplexität der kindlichen Kommunikationsfertigkeit hängt dabei stark mit der Sprech- und Sprachfertigkeit, der kognitiven Weiterentwicklung und dem Erfahrungswissen zusammen. Das kausale Denken ermöglicht den Kindern, Ursachen und Folgen zu erkennen sowie Begründungen und Argumente zu verstehen. Dies zeigt sich dann auch in ihrer Vorstellungskraft, da sie nicht nur die Bedeutung von Dingen erkennen, sondern auch selbst nach dem Sinn von Begebenheiten oder Phänomenen fragen. Daher hinterfragen sie viele Situationen und stellen selbst Fragen zu Begebenheiten, die sie noch nicht verstehen, die sie aber interessant finden. Sie wollen jetzt mehr wissen und brauchen darum auch fundierte Antworten auf ihre Fragen und Gedanken, um sich ein Bild von der Welt zu machen.

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Pädagogische Fachkräfte als wichtige Begleiter*innen

Daher sind päd. Fachkräfte als Gesprächspartner:innen so wichtig und relevant. Sie müssen jedoch bereit sein, sich vollkommen auf die Kinder und ihre Themen einzulassen und sie als gleichwertige Gesprächspartner:innen anzuerkennen. Denn ob im Dialog mit dem einzelnen Kind oder im Gespräch in größerer Runde z.B. im Morgenkreis: Es geht nie darum, eine abschließende Antwort zu finden.

Viel wichtiger ist, das Offene, Besondere und Ungelöste einer Frage zum Anlass des gemeinsamen Gedankenaustausches der gemeinsamen Kommunikation zu machen. Denn wichtig ist hierbei die Einnahme von Distanz: Im Zentrum dieser Gespräche steht, dass die päd. Fachkraft und das Kind sich über etwas unterhalten und jeder seinen eigenen Standpunkt erkennt, damit sich beide gedanklich und sprachlich aufeinander zubewegen können. Dies ist mit mehreren Kindern gleichzeitig manchmal ein richtiger Kraftakt und erfordert von der Fachkraft die Einnahme einer dialogischen Haltung und die Kompetenz Sprachlehrstrategien angemessen nutzen zu können.

Um mit den Kindern konkret in einen gemeinsamen langanhaltenden Dialog und das reflexive Nachdenken oder Philosophieren zu kommen, können päd. Fachkräfte auch die Methode des dialogischen Vorlesens und Erzählens nutzen. Diese ermöglicht nicht nur gemeinsames Erleben, sondern erweitert vor allem auch den Wortschatz. Wenn die päd. Fachkraft dann beim gemeinsamen Tun eine eher abwartende und doch neugierige Rolle einnimmt, können Kinder selbst aktiv werden. Durch die Zurückhaltung ermöglichen päd. Fachkräfte zudem den nötigen Raum für Spekulationen und differenziertes Wahrnehmen und Denken.

Die Kinder üben sich so im Begründen, Argumentieren, Hinterfragen, Ursachen erkennen, lernen Analogien und Parallelen zu bilden und unterschiedliche Gemeinsamkeiten zu formulieren. Sie überprüfen im gemeinsamen Dialog die aufgestellten Hypothesen, lernen zu unterscheiden zwischen Beschreiben, Bewerten und Beurteilen und erweitern so ihren Sinnhorizont. Darüber hinaus entwickeln sie so auch die Fähigkeit sich eine eigene Meinung zu bilden und diese argumentativ darzustellen. So wird gleichsam auch die Fähigkeit zur Kommunikation kontinuierlich weiterentwickelt und parallel die Kompetenz mit anderen in einen offenen Dialog einzutauchen trainiert.

„Nicht der, der ein Kind ‚zutextet‘, sondern wer sensibel bei einem Kind ist und sprachlich das begleitet, was er gerade im Auge und im Sinn hat, der fördert enorm seine sprachliche Entwicklung.“

(Wolfgang und Jürgen Butzkamm)

Zum Weiterlesen

Ursula Günster-Schöning (2021) Jetzt lerne ich sprechen, Die Sprachentwicklung von Kindern von 0-6 Jahren verstehen und fördern. Mit 133 Sprachspielen und Aktivitäten. Berlin: Dudenverlag

Gastautorin

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Ursula Günster-Schöning ist Prozessbegleiterin und systemische Organisationsentwicklerin, SeniorCoach QRC und päd. Koordinatorin mit über 30 Jahren Berufserfahrung.

Als staatlich anerkannte Sozialfachwirtin und Erzieherin war sie 20 Jahre im Bereich der Elementarpädagogik tätig, sechszehn Jahre davon als Führungskraft.
2006 gründete sie das Fortbildungsinstitut ERFOR und begleitet seitdem Teams bei Veränderungsprozessen. Zudem arbeitet sie als Weiterbildnerin, Autorin und coacht Führungskräfte.

Durch ihre ständige Weiterentwicklung im Bereich der frühkindlichen Bildung schafft es Frau Günster-Schöning als Expertin den Bereich der Frühpädagogik mit neuen Impulsen nachhaltig zu prägen.

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